Übersicht über die unterschiedlichen Formen von Vorsatz (Absicht / Wissentlichkeit / Eventualvorsatz) und Fahrlässigkeit (unbewusste / bewusste Fahrlässigkeit / Leichtfertigkeit).
Grundsätzlich ist gem. § 15 StGB nur vorsätzliches Handeln strafbar, wenn nicht das Gesetz fahrlässiges Handeln ausdrücklich mit Strafe bedroht.
Grundsätzlich genügt bei Vorsatzdelikten bedingter Vorsatz / Eventualvorsatz (lat. dolus eventualis), außer die jeweilige Norm stellt gesteigerte Anforderungen an das subjektive Element. Erforderlich kann sein:
Direkter Vorsatz / Wissentlichkeit (lat. dolus directus 2. Grades)
z.B. „wider besseres Wissen“ = Sicheres Wissen bzgl. Unwahrheit der Tatsachen bei der Verleumdung (§ 187 StGB)
Absicht (lat. dolus directus 1. Grades)
z.B. „in der Absicht ... zuzueignen“ = Zueignungsabsicht beim Diebstahl (§ 242 StGB) oder „um ... zu bereichern“ = Bereicherungsabsicht bei der Erpressung (§ 253 StGB)
Erschwert wird die Zuordnung dadurch erheblich, dass die h.M. in vielen Fällen, in denen der Wortlaut „Absicht“ erfordert, dennoch dolus directus 2. Grades genügen lässt - z.B. bei der Urkundenunterdrückung (§ 274 I StGB) - sodass im Einzelfall stets ein Blick in den Kommentar nötig bleibt.
Eine allgemeine Regel für die Zuordnung anhand des bloßen Wortlautes lässt sich somit leider nicht formulieren.
Delikte können in unterschiedlichem Ausmaß Fahrlässigkeit genügen lassen:
Grundsätzlich erfüllen sowohl bewusst als auch unbewusst fahrlässig handelnde Täter Fahrlässigkeitsdelikte, außer die jeweilige konkrete Norm macht gesteigerte Anforderungen an das subjektive Element und erfordert Leichtfertigkeit, wie etwa beim erpresserischen Menschenraub mit Todesfolge (§ 239a III StGB), Raub mit Todesfolge (§ 251 StGB) oder der Brandstiftung mit Todesfolge (§ 306c StGB).
Ob ein Täter hinsichtlich des subjektiven Tatbestandes mit Vorsatz oder Fahrlässigkeit handelt, hängt von der Intensität des kognitiven Elements (Wissen) sowie des voluntativen Elements (Wollen) ab.
Beide Elemente sind bei straffreiem Handeln nicht vorhanden und liegen bei den verschiedenen Formen von Vorsatz und Fahrlässigkeit in unterschiedlicher Ausprägung vor:
Stufe |
Wissen (kognitives Element) |
Wollen (voluntatives Element) |
Straffreiheit |
(---) Täter weiß nicht, dass sein Verhalten zur Verwirklichung eines Tatbestandes führen kann und hätte dies bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt auch nicht erkennen können. |
(---) Täter hat keinen auf eine Tatbestandsverwirklichung gerichteten Willen. |
Fahrlässigkeit |
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Unbewusste Fahrlässigkeit |
(-) Täter weiß nicht, dass sein Verhalten zur Verwirklichung eines Tatbestandes führen kann. Er hätte jedoch bei gehöriger Anstrengung mit der im Verkehr erforderlichen und ihm zumutbaren Sorgfalt die Tatbestandsverwirklichung voraussehen und verhindern können (hypothetisches Wissen). |
(irrelevant) |
Bewusste Fahrlässigkeit |
(+) Täter erkennt die Rechtsgutsverletzung als mögliche Folge seines Handelns |
(-) Täter vertraut pflichtwidrig und vorwerfbar darauf, dass die Rechtsgutsverletzung nicht eintritt. Faustregel: „Wird schon gut gehen.“ |
Leichtfertigkeit
→ Entspricht grober Fahrlässigkeit im Zivilrecht |
(+/-) Täter erkennt oder erkennt nicht, dass sein Verhalten zur Rechtsgutsverletzung führen kann. Er lässt jedoch die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße außer Acht, beachtet also nicht, was sich unter den Voraussetzungen seiner Erkenntnisse und Fähigkeiten aufdrängen muss (aufdrängendes hypothetisches Wissen).
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(-) Sofern der Täter die Rechtsgutsverletzung als mögliche Folge seines Handelns erkennt, vertraut er pflichtwidrig und vorwerfbar darauf, dass die Rechtsgutsverletzung nicht eintritt. |
Vorsatz |
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Bedingter Vorsatz / Eventualvorsatz
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(irrelevant) |
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(irrelevant) |
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(irrelevant) |
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Direkter Vorsatz / Wissentlichkeit (lat. dolus directus 2. Grades) |
(+++) Täter weiß sicher, dass er durch sein Handeln den gesetzlichen Tatbestand verwirklichen wird |
(+/-) Tatbestandsverwirklichung ist dem Täter erwünscht oder unerwünscht |
Absicht (lat. dolus directus 1. Grades) |
(+) Täter stellt sich die Tatbestandsverwirklichung als zumindest möglich vor. |
(+++) Dem Täter kommt es gerade darauf an, den Tatbestand zu verwirklichen. |