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StGB  
Strafgesetzbuch

Strafrecht

Strafrecht AT

(1) Wird die Unterbringung in einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, so wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen.
(2) Das Gericht bestimmt jedoch, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn der Zweck der Maßregel dadurch leichter erreicht wird. Bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren soll das Gericht bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Dieser Teil der Strafe ist in der Regel so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung nach Absatz 5 Satz 1 erster Halbsatz möglich ist. Das Gericht soll ferner bestimmen, dass die Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn die verurteilte Person vollziehbar zur Ausreise verpflichtet und zu erwarten ist, dass ihr Aufenthalt im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe beendet wird.
(3) Das Gericht kann eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 nachträglich treffen, ändern oder aufheben, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen. Eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 kann das Gericht auch nachträglich treffen. Hat es eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 getroffen, so hebt es diese auf, wenn eine Beendigung des Aufenthalts der verurteilten Person im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe nicht mehr zu erwarten ist.
(4) Wird die Maßregel ganz oder zum Teil vor der Strafe vollzogen, so wird die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet, bis zwei Drittel der Strafe erledigt sind.
(5) Wird die Maßregel vor der Strafe oder vor einem Rest der Strafe vollzogen, so setzt das Gericht die Vollstreckung des Strafrestes unter den Voraussetzungen des § 57 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3 und Satz 2 zur Bewährung aus, wenn zwei Drittel der Strafe erledigt sind; das Gericht kann die Aussetzung auch schon nach Erledigung der Hälfte der Strafe bestimmen, wenn die Voraussetzungen des § 57 Absatz 2 entsprechend erfüllt sind. Wird der Strafrest nicht ausgesetzt, so wird der Vollzug der Maßregel fortgesetzt; das Gericht kann jedoch den Vollzug der Strafe anordnen, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen.
(6) Das Gericht bestimmt, dass eine Anrechnung nach Absatz 4 auch auf eine verfahrensfremde Strafe erfolgt, wenn deren Vollzug für die verurteilte Person eine unbillige Härte wäre. Bei dieser Entscheidung sind insbesondere das Verhältnis der Dauer des bisherigen Freiheitsentzugs zur Dauer der verhängten Strafen, der erzielte Therapieerfolg und seine konkrete Gefährdung sowie das Verhalten der verurteilten Person im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen. Die Anrechnung ist in der Regel ausgeschlossen, wenn die der verfahrensfremden Strafe zugrunde liegende Tat nach der Anordnung der Maßregel begangen worden ist. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend.
Quelle: BMJ
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LexMea

Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c StGB)

Prüfungsschema zur Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c StGB): Täter führt ein Fahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr, begeht dabei ein Fehlverhalten und gefährdet dadurch konkret Leib / Leben einer Person oder Sachen von bedeutendem Wert.

  1. Inhaltsverzeichnis
  2. Tatbestand
  3. Objektiver Tatbestand
  4. Führen eines Fahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr
  5. Öffentlicher Straßenverkehr
  6. Führen eines Fahrzeugs
  7. Fehlverhalten des Fahrzeugführers
  8. Fahruntauglichkeit (Abs. 1 Nr. 1)
  9. Alkohol o.a. berauschende Mittel (Abs. 1 Nr. 1 a))
  10. Geistige oder körperliche Mängel (Abs. 1 Nr. 1 b))
  11. Grob verkehrswidrige und rücksichtslose Begehung einer der „sieben Todsünden“ (Abs. 1 Nr. 2 a) - g))
  12. Konkrete Gefährdung von Leib / Leben oder Sachen von bedeutendem Wert
  13. Leib / Leben
  14. Fremde Sache von bedeutendem Wert
  15. Zurechnungszusammenhang zwischen Fehlverhalten und konkreter Gefährdung
  16. Subjektiver Tatbestand
  17. Vorsatz
  18. Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination (Abs. 3 Nr. 1)
  19. Fahrlässigkeit (Abs. 3 Nr. 2)
  20. Rechtswidrigkeit
  21. Schuld

 

  • Deliktart
    • Konkretes Gefährdungsdelikt
    • Eigenhändiges Delikt (Täter muss Führer eines Fahrzeugs sein; Ausnahme: Abs. 1 Nr. 2 g))
  • Rechtsgut
    Sicherheit des Straßenverkehrs (darüber mittelbar Eigentum und körperliche Unversehrtheit)

 

§ 315b StGB dient dem Schutz des Straßenverkehrs vor Eingriffen von außen (sog. verkehrsfremde Eingriffe), während § 315c StGB dem Schutz vor Eingriffen durch verkehrsinternes Verhalten dient.

Siehe auch die Übersicht: Verkehrsdelikte (§§ 315 ff. StGB)

 

Tatbestand

Objektiver Tatbestand

Führen eines Fahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr

Öffentlicher Straßenverkehr

Straßenverkehr = Jede Verkehrsart auf (h.M.: öffentlichen) Straßen, Wegen und Plätzen

Beispiele: KfZ-Verkehr auf Bundesstraßen, Fahrradfahren auf Fahrradwegen

Die Voraussetzung „öffentlich“ ergibt sich nicht aus dem Wortlaut, sondern wird aus dem Schutzzweck des § 315c StGB (gemeingefährliches Delikt) abgeleitet

Öffentlich = Verkehrsraum wurde vom Verfügungsberechtigten für jedermann oder zumindest eine allgemein bestimmte Personengruppe zur Benutzung zugelassen

Beispiele: Öffentliches Parkhaus; Kundenparkhaus eines Kaufhauses; nicht: Private Tiefgarage eines Wohnhauses, für die nur Bewohner einen Schlüssel haben

 

Führen eines Fahrzeugs

Fahrzeuge = Alle im öffentlichen Verkehr vorkommenden Fortbewegungsmittel zur Beförderung von Personen oder Gütern

Beispiele: Kfz; Fahrräder; E-Scooter; Inline-Skates (str.)

Führen = Bedienen der wesentlichen technischen Einrichtungen eines Fahrzeugs und dadurch in Bewegung setzen oder während der Fahrbewegung lenken

Aufgrund der Deliktsnatur als konkretes Gefährdungsdelikt enger als bei § 316a StGB

z.B. nicht: Bloßes Anlassen des Motors; bloßes Lösen der Bremsen

 

Fehlverhalten des Fahrzeugführers

Fahruntauglichkeit (Abs. 1 Nr. 1)

Der Fahrzeugführer muss aufgrund Alkohol / anderer berauschender Mittel oder geistiger / körperlicher Mängel fahruntauglich sein.

Fahruntauglichkeit = Unfähigkeit, das Fahrzeug sicher zu führen

Alkohol o.a. berauschende Mittel (Abs. 1 Nr. 1 a))
  • Alkohol
    • Relative Fahruntauglichkeit
      Mind. 0,3 ‰ Blutalkoholkonzentration (BAK) plus alkoholbedingter Fahrfehler.
      Beispiele: Schlangenlinien; zu langsames oder zu schnelles Fahren; Überfahren einer roten Ampel
    • Absolute Fahruntauglichkeit
      Ab mind. 1,1 ‰ (bzw. 1,6 ‰ bei Fahrradfahrern) Blutalkoholkonzentration (BAK) unwiderlegliche Vermutung der Fahruntauglichkeit unabhängig von individuellen Fahrfehlern.
  • Berauschende Mittel
    Beispiele: Drogen; aber auch (verschriebene) Medikamente

 

Geistige oder körperliche Mängel (Abs. 1 Nr. 1 b))

z.B. starke Übermüdung mit erkennbarer Erwartung eines baldigen Sekundenschlafes; starke Kurzsichtigkeit ohne Sehhilfe; starkes Fieber

 

Grob verkehrswidrige und rücksichtslose Begehung einer der „sieben Todsünden“ (Abs. 1 Nr. 2 a) - g))

Grob verkehrswidrig = Mittels besonders schweren Verstoßes gegen eine Verkehrsvorschrift

Rücksichtslos = Eigensüchtig und gleichgültig gegenüber fremden Rechtsgütern

Für die „sieben Todsünden“ siehe die Auflistung in Abs. 1 Nr. 2 a) – g).

 

 

Konkrete Gefährdung von Leib / Leben oder Sachen von bedeutendem Wert

Konkrete Gefährdung = Kritische Situation, in der bei ungehindertem Fortgang jederzeit die Realisierung der Gefahr (hier: Schaden an Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremden Sachen) zu erwarten ist und dies nur noch vom Zufall abhängt (sog. „Beinaheunfall“)

Leib / Leben

Es muss sich um eine Gefährdung von Leib oder Leben eines anderen Menschen handeln.

Sind auch Mittäter / Teilnehmer und sonstige Beifahrer vom Tatbestand umfasst (also „andere Menschen“ i.S.d. Abs. 1 a.E.)?

  • e.A.: (+) Ja, vom Tatbestand sind alle umfasst (aber ggf. rechtfertigende Einwilligung)
    (pro) Wortlaut: Nimmt keine Einschränkung vor.

  • h.M.: (+/-) Differenzierend
    Es sind nur die Beifahrer umfasst, die nicht selbst Mittäter oder Teilnehmer sind (z.B. Anstifter oder psychische Gehilfen).
    (pro) Telos: Nur diese sind schutzwürdig; andere gehören quasi zur Sphäre des Täters und sind daher nicht vom Schutzzweck umfasst.

  • a.A.: (-) Nein, alle nicht umfasst
    (pro) Telos: Nicht schutzwürdig; begeben sich alle selbst in die Tätersphäre.
    (con) Systematik: Umgeht Anforderungen der Einwilligung.

 

Fremde Sache von bedeutendem Wert

Sache = Jeder körperliche Gegenstand (vgl. § 90 BGB)

Fremd = Nicht im Alleineigentum des Täters (Sache gehört zumindest auch einem anderen) und nicht herrenlos (vgl. § 959 BGB)

  • h.M.: Das vom Täter selbst geführte Fahrzeug kommt nicht gleichzeitig als Tatmittel und als Tatobjekt in Betracht; auch wenn es im zivilrechtlichen Sinne ausnahmsweise fremd ist (str.)
    (pro) Die Eigentumsverhältnisse am selbst geführten Fahrzeug sind in der Breite zu unterschiedlich (z.B. Leasing, Kauf unter Eigentumsvorbehalt etc.) und für die Strafbarkeit nicht maßgeblich

Von bedeutendem Wert = Wirtschaftlicher Wert der Sache selbst sowie auch das Ausmaß des daran drohenden Schadens übersteigen ca.

  • Rspr.: 750€

  • h.L.: 1.300€
    (pro) Inflation

Beispiel: An einem 2.800€ teuren E-Bike droht ein Totalschaden (letztlich eingetretener Schaden kann auch geringer sein)

 

Zurechnungszusammenhang zwischen Fehlverhalten und konkreter Gefährdung

Erforderlich ist ein Zurechnungszusammenhang zwischen dem b) Fehlverhalten und der c) konkreten Gefährdung. Arg.: Wortlaut „dadurch“.

  • Unstrittig erforderlich ist Kausalität i.S.d. sine-qua-non-Formel. D.h. das Fehlverhalten darf nicht hinweggedacht werden können, ohne dass die konkrete Gefährdung in ihrer konkreten Gestalt entfiele.
  • Die h.L. erfordert zusätzlich eine objektive Zurechnung, dies bedeutet:

    • Gefahrschaffung
      Der Täter muss eine durch die Rechtsordnung insgesamt missbilligte Gefahr schaffen. Dies ist hier stets bereits durch das b) Fehlverhalten des Täters der Fall.

    • Risikozusammenhang
      Gerade das der Tathandlung - also hier dem b) Fehlverhalten - des Täters typischerweise eigentümliche Risiko muss sich im tatbestandsmäßigen Erfolg - also hier in c) der konkreten Gefahr für das Opfer - realisiert haben. Andersherum ausgedrückt, darf es sich nicht um eine im Hinblick auf das Fehlverhalten gänzlich atypische Gefahr handeln.
      Allg. kein Risikozusammenhang ist demnach z.B. gegeben, wenn die Gefahrschaffung erst nach Beendigung der Fahrt erfolgt (z.B. berauschter Rollerfahrer stürzt und bleibt gefährlich auf der Straße liegen). 
      Von Bedeutung sind ferner insb. die nachfolgenden zwei Unterkategorien des Risikozusammenhangs:

      • Schutzzweck der Norm
        In der konkreten Gefährdung muss sich gerade das vom Schutzzweck der Verkehrsnorm missbilligte Risiko verwirklicht haben.

      • Pflichtwidrigkeitszusammenhang (pflichtgemäßes Alternativverhalten)
        Die konkrete Gefährdung müsste bei pflichtgemäßem Verhalten vermeidbar gewesen sein. 
        z.B. nicht, wenn der i.S.d. § 315c I Nr. 1 a) StGB berauschte Fahrer auch nüchtern ähnlich defizitär und daher gefahrverursachend fahren würde.

Der Pflichtwidrigkeitszusammenhang als Unterpunkt der objektiven Zurechnung spielt i.d.R. insb. bei Fahrlässigkeitsdelikten eine Rolle, wird nach h.L. in speziellen Konstellationen - wie insb. der vorliegenden - auch bei Begehungsdelikten geprüft.

Zur weitergehenden Frage, was der Maßstab des Pflichtwidrigkeitszusammenhanges ist (e.A. Vermeidbarkeitstheorie; a.A. Risikoerhöhungstheorie) sei insofern auf das Grundschema: Fahrlässiges Begehungsdelikt (§ 15 Var. 2 StGB) verwiesen.

 

Subjektiver Tatbestand

Vorsatz

Mindestens bedingter Vorsatz / Eventualvorsatz (dolus eventualis) bzgl. sämtlicher Tatbestandsmerkmale, also bzgl. des Führens; bzgl. der konkreten Gefährdung; bzgl. des Zurechnungszusammenhangs sowie 

  • bei Nr. 1 bzgl. der Fahruntauglichkeit und ihrer Ursachen /
  • bei Nr. 2 bzgl. der grob verkehrswidrigen und rücksichtslosen Begehung einer der „sieben Todsünden“.

 

Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination (Abs. 3 Nr. 1)

  • Mindestens bedingter Vorsatz / Eventualvorsatz (dolus eventualis)
    • bei Nr. 1 bzgl. der Fahruntauglichkeit und ihrer Ursachen /
    • bei Nr. 2 bzgl. der grob verkehrswidrigen und rücksichtslosen Begehung einer der „sieben Todsünden“.
  • Fahrlässigkeit bzgl. der konkreten Gefährdung ausreichend.

 

Fahrlässigkeit (Abs. 3 Nr. 2)

  • Fahrlässigkeit bzgl. sämtlicher Tatbestandsmerkmale ausreichend.

 

 

Rechtswidrigkeit

Die Rechtswidrigkeit wird durch die Tatbestandsmäßigkeit indiziert. Siehe für eine Übersicht der möglichen Rechtfertigungsgründe die Übersicht: Rechtswidrigkeit und Schuld im Strafrecht.

 

 

Schuld

Schuld bezeichnet die persönliche Vorwerfbarkeit der Unrechtsverwirklichung. Auch diese wird grundsätzlich angenommen. Siehe für Fälle, in denen sie entfällt (Schuldunfähigkeit, entschuldigende Irrtümer und Entschuldigungsgründe) die Übersicht: Rechtswidrigkeit und Schuld im Strafrecht.

  • In Betracht kommt insb. eine verminderte Schuldfähigkeit i.S.d. § 21 StGB (Indiz: BAK > 2‰; Vermutung: BAK > 2,3‰) oder gar eine Schuldunfähigkeit i.S.d. § 20 StGB (Indiz: BAK > 2,5‰; Vermutung: BAK > 3,0‰). Die BAK hat hier jedoch jeweils lediglich indizierende Wirkung und ersetzt keine umfassende Einzelfallbetrachtung.

  • Die a.l.i.c. (actio libera in causa) findet nach st.Rspr (BGH) bei den §§ 315c und § 316 StGB keine Anwendung.

 

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